Sehr geehrter Herr Landrat,

wir möchten Sie bitten, folgenden Antrag der Gruppe SPD / Bündnis 90/Die Grünen auf die Tages­ordnung des Kreisausschusses am 9. Oktober und des Kreistages am 17. Oktober zu setzen:

Bargeld statt Wertgutscheine für AsylbewerberInnen
Der Landkreis Göttingen fordert das Niedersächsische Innenministerium auf, die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, damit der Landkreis Göttingen anstelle von Wertgutscheinen Bargeld an Asylbewer­ber/innen auszahlen kann. Der Kreistag bittet die Kreisverwaltung, vorhandene Ermessensspielräume insbesondere nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz im Sinne des Antrages zu nutzen, um schon jetzt verstärkt Barleistun­gen auszuzahlen und bis zu einer Änderung der Rechtslage Gutscheine so unbürokratisch wie mög­lich auszugeben.

Begründung
Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat 2007 gegenüber den niedersächsischen Kommunen verfügt, „dass das in § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) normierte Sach­leistungsprinzip auch weiterhin zu beachten und umzusetzen ist.“ Die dauerhafte Anwendung des Sachleistungsprinzips ist mit der Würde des Menschen nicht verein­bar, es ist diskriminierend und integrationsfeindlich. Das Sachleistungsprinzip ist zudem teuer und verwaltungsaufwändig. Die Praxis in Niedersachsen führt zu sozialer Ausgrenzung und Stigmatisie­rung der Flüchtlinge. Die Betroffenen verfügen oft über keine Barmittel, um persönliche Bedarfe zu decken. Wertgutscheine werden nur in einer eingeschränkten Zahl von Einzelhandelsgeschäften ak­zeptiert, Rückgeld gibt es nur beschränkt. Der Landkreis Lüneburg lehnt das Sachleistungsprinzip ab, weil es die Integration behindert und die Führung eines menschenwürdigen Lebens verhindert, dis­kriminierend ist und von sozialer Teilhabe ausschließt. Das Sachleistungsprinzip wird in Göttingen durch die Vergabe von Wertgutscheinen erfüllt. Bis heute gibt es hierzu für den Landkreis Göttingen wenig Handlungsspielraum, anstelle von Wertgutscheinen Bargeld auszuzahlen. Die restriktive Haltung des Nds. Innenministeriums ist nicht nachvollziehbar. Andere Bundesländer räumen ihren Kommunen in ihren Aufnahmegesetzen (z.B. NRW, Hessen, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt) ein eigenes Entscheidungsrecht ein, welche Art der Leistungsgewährung im konkreten Fall und nach den örtlichen Gegebenheiten sinnvoll ist, dazu gehört auch die Gewährung von Geldleistungen. Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat gegenüber dem BMAS gefordert, dass die Entscheidung über die Art der Leistungsgewährung in die Hoheit der kommunalen Selbst­verwaltung überführt werden soll. Für die Kommunen ist das Gutschein-Verfahren durch den bürokratischen Aufwand insgesamt sogar teurer als die Auszahlung von Barleistungen. Dieser Zustand ist unhaltbar. Da das Bundesverfassungsgericht die Einschränkungen des Asylbe­werberleistungsgesetz für das Existenzminimum mit Urteil vom 18. Juli 2012 als verfassungswidrig eingestuft hat, ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt, die weiteren Diskriminierungen des AsylbLG auf­zuheben. Allein die Regelsätze nach Asylbewerberleistungsgesetz lagen bisher um ca. 36% unter dem in SGB II und SGB XII festgesetzten Existenzminimum. Der Landkreis Göttingen wird diesen Bundesverfassungsgerichtsbeschluss umgehend umsetzen. Das menschenwürdige Existenzmini­mum gilt nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes.