Der Kreistag hat Landrat Bernhard Reuter mit den Stimmen der SPD beauftragt, mit den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz sowie mit der Stadt Göttingen Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel eine südniedersächsische Verwaltungseinheit mit der Stadt Göttingen als Kreisstadt zu schaffen. Mit dem Beschlussvorschlag wurde auch eine Liste der 25 Eckpunkte beschlossen, die der Land­kreis Göttingen in die Verhandlungen einbringt.

Eckpunkte

1. Das Ziel von Sondierungsgesprächen ist die große Lösung einer südniedersächsischen Verwaltungseinheit unter Einbeziehung der Landkreise Göttingen, Northeim und Osterode mit Göttingen als zukünftiger Kreisstadt und Namensgeberin.

2. Die Stadt Göttingen wird an den Verhandlungen beteiligt.

3. Im Rahmen der Aushandlung der zukünftigen Kreisumlage muss das Thema Finanzaus­gleich Stadt /LK gelöst werden.

4. Die Verteilung von Verwaltungsaufgaben sollte zwischen Land, neuem Landkreis und den Gemeinden neu geordnet werden. Aufgaben, die der LK vom Land übernimmt, könnten sein: z.B. SPNV, Flurbereinigung, Leader. Über Aufgaben, die an die Gemeinden abge­geben werden, ist mit diesen zu verhandeln.

5. Angebote sollen in der Fläche bürgernah erhalten bleiben (z.B. im KFZ-und SGB II-Bereich). Mögliche Erweiterungen sind zu prüfen.

6. Der aus der Fusion entstehende Landkreis wird Optionskommune. Die Leistungserbrin­gung im Bereich SGB II und auch SGB XII erfolgen dezentral, aber nach einheitlichen Qualitätsstandards und unter einheitlicher Qualitätskontrolle.

7. Die Bürgerfreundlichkeit soll erhöht werden, z.B. durch Ausbau des Modells Bürgerbüro, zumindest aber auf dem derzeitigen Standard erhalten bleiben. Umgesetzt werden soll der Ausbau einer demokratiefördernden Variante des E-Government – Onlinekommunika­tion und Beteiligung soll genutzt werden.

8. Der Standard der Verwaltungstätigkeit soll sich an den jeweils Besten orientieren: in Be­zug auf Qualität, Effizienz, Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit und Bürgernähe (Stichworte hierzu: Klimaschutzaktivitäten, Naturschutz, Beratungsniveau).

9. Die Wirtschaftsförderung Region Göttingen GmbH wird für das Fusionsgebiet weiterentwi­ckelt. Die Einbeziehung der GWG ist anzustreben. Das schließt Marketing und Tourismus­förderung mit ein.

10. Die geltende und erfolgreiche gemeinsame Aufgabenwahrnehmung mit der Stadt Göttin­gen sollen erhalten bleiben und auf das gesamte Gebiet ausgeweitet werden. Beispiele sind das Veterinäramt, das Gesundheitsamt, das Versicherungsamt und die Leitstelle.

11. Der Abfallzweckverband Südniedersachsen bleibt vorerst erhalten. Eine weitere Aufga­benübertragung an den Abfallzweckverband und Prüfung eines gemeinsamen Kreisab­fallentsorgungsbetriebes wird geprüft, die Deponiestandorte in Breitenberg und Dransfeld bleiben erhalten.

12. Darüber hinaus sollen keine neuen Zweckverbände gegründet werden.

13. Angestrebt wird ein ÖPNV aus einem Guss mit verbessertem Angebot und einheitlichem Tarif inklusive GöVB und SPNV.

14. Ziel soll der Erhalt der Berufsschul-Standorte sein.

15. Ein Schulangebot, das den Erhalt der Angebote in der Fläche sowie die Qualitätsentwick­lung berücksichtigt, wird angestrebt, zum Beispiel durch weitere Gesamtschulen.

16. Das Niveau der freiwilligen Leistungen darf nicht spürbar sinken. Der Landkreis wird die Förderung in beispielhaft aufgezählten Bereichen fortführen: Tourismus, Kultur, Natur (Naturpark Münden), Soziales, Jugendhilfe und Sport (gebührenfreie Nutzung der Sport­stätten durch die Sportvereine). Die Mitgliedschaften in den Zweckverbänden Seeburger See und Wendebachstausee bleiben erhalten.

17. Die Regionalplanung soll für die Stadt Göttingen und den neuen Landkreis zusammenge­führt werden.

18. Der Klimaschutz, Integration und Demografie sind als regionale Querschnittsaufgabe zu installieren.

19. Die Arbeit der Energieagentur wird weiter gefördert. Ziel ist Ausweitung des Aufgabenge­biets auf das gesamte Fusionsgebiet.

20. Es werden keine MitarbeiterInnen in der Verwaltung den Arbeitsplatz durch diesen Pro­zess verlieren. Nachteile, wie zum Beispiel längere Fahrzeiten, Einarbeitung in neue Auf­gaben usw. werden durch einen Vertrag mit den Personalräten und Verdi möglichst aus­geglichen.

21. Der Landschaftspflegeverband Göttingen e.V. wird erhalten mit dem Ziel, ihn auf das ge­samte Fusionsgebiet auszudehnen.

22. Die Kreisstraßenmeisterei sowie der Standort in Groß Schneen bleiben erhalten.

23. Das Feuerwehrzentrum Potzwenden bleibt erhalten.

24. Das Niveau der Förderung des ländlichen Raums soll nicht schlechter werden (Leader).

25. Eine flächendeckende Bildungsversorgung wird durch dezentrale Strukturen von Außen­standorten und Geschäftsstellen sichergestellt.

Begründung
Die Region Südniedersachsen steht vor riesigen Herausforderungen. Der demographische Wandel trifft die Städte, Gemeinden und Landkreise mit voller Härte. Bis zum Jahr 2030 ver­lieren die drei Landkreise Göttingen, Northeim und Osterode am Harz über 80.000 Einwoh­ner. Die Region wird nach allgemein anerkannten Prognosen von derzeit 475.000 Einwoh­nern auf unter 390.000 Einwohner schrumpfen. Dieser massive Bevölkerungsverlust und die Alterung der Gesellschaft stellt eine Bedrohung für den Wohlstand und die Lebensqualität in der Region dar, wenn ihr nicht entschlossen be­gegnet wird. Auch der Landkreis Göttingen bleibt von diesen Entwicklungen nicht verschont. Der mit der negativen demographischen Entwicklung verbundene Fachkräftemangel wird auch vor den Toren der Stadt Göttingen nicht Halt machen, der als Oberzentrum noch eine akzeptable demographische Entwicklung vorhergesagt wird. Gemessen an den Herausforderungen leistet sich die Region eine bemerkenswerte politische Zersplitterung ihrer Kräfte. Drei Landkreise mit unterschiedlichen Interessen arbeiten oft ne­beneinander als miteinander, mindestens sechs Akteure sind in dem Bereich der Wirtschafts­förderung tätig, um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Die Zersplitterung schlägt sich etwa in den Fördermittelbilanzen nieder. Während der Westen Niedersachsens und auch der Strukturschwache Nordosten weit überdurchschnittlich von Fördermitteln aus Hannover, Ber­lin und Brüssel profitieren, wird die Region Südniedersachsen vollkommen abgehängt. Vor diesem Hintergrund gebietet es die politische Verantwortung, die Frage nach den Kom­munalstrukturen in der Region auf die Tagesordnung zu setzen. Die Niedersächsische Lan­desregierung hat den Handlungsbedarf ebenfalls erkannt und ein Gutachten zu den Kommu­nalstrukturen in Auftrag gegeben, welches der Staatswissenschaftler Prof. Jens Joachim Hesse im Sommer 2010 vorgelegt hat. In Folge dieses Gutachtens haben die Kreistage Göt­tingen, Northeim und Osterode am Harz sowie die Stadt Göttingen den Gutachter beauftragt, ein Vertiefungsgutachten vorzulegen. Als notwendige Konsequenz aus negativer demogra­phischer Entwicklung und politischer Zersplitterung schlägt Prof. Hesse in seinem im Sep­tember 2011 vorgestellten teilregionalen Ergänzungs-und Vertiefungsgutachten eine Kom­munalreform vor, an deren Ende eine Gebietskörperschaft auf Kreisebene für die Region Südniedersachsen steht mit Göttingen als Kreisstadt und starkem Oberzentrum. Unterstützt werden die Vorschläge von Prof. Hesse durch den so genannten „Zukunftsver­trag“ des Landes Niedersachsen. Diese 2009 zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und dem Land Niedersachsen geschlossene Vereinbarung sieht eine Entschuldungshilfe für die Kommunen vor, die sich einer freiwilligen Fusion unterziehen. Bis zu 75 Prozent der bis Ende 2009 aufgelaufenen Kassenkredite werden laut Vereinbarung im Falle einer Fusion übernommen, wenn die fusionierenden und anspruchsberechtigten Kommunen bis zum 31. März 2013 einen Antrag bei der Landesregierung stellen. Für die drei Landkreise Göttingen, Northeim und Osterode am Harz handelt es sich insgesamt um eine Entschuldung von etwa 80 Millionen Euro. Eine Fusion von Landkreisen ist allerdings kein Selbstzweck und darf nicht nur aufgrund von finanziellen Anreizen stattfinden. Dies wäre zu kurzfristig gedacht und deckt sich auch nicht mit den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Kreisreform. Eine Fusion muss die Leistungsfähigkeit der fusionierenden Gebietskörperschaften nachhaltig erhalten und stärken. Die Verwaltungen in Südniedersachsen sind für die Menschen da. Deshalb müssen die obersten Kriterien für eine Fusion die Schaffung und der Erhalt effizienter und bürgernaher Verwaltungsstrukturen sein. Eine Fusion muss als Chance verstanden werden, dezentrale Dienstleistungen der Verwaltung in der Fläche langfristig zu erhalten und auszubauen, etwa für die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger im Sozialbereich. Allerdings muss ein Zusammenschluss der drei Landkreise auch dazu führen, dass die neue Verwaltungseinheit mehr Verantwortung für die Region übernehmen kann und darf. Dazu muss das Land Niedersachsen bereit sein, Aufgaben und Instrumente zur Steuerung der re­gionalen Entwicklung in die Hände eines neuen Landkreises zu legen. Dies betrifft Aufgaben wie den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und die zweite Säule der GAP (Flurbereini­gung, Leader, …). Ebenso muss der neue Landkreis bereit sein, Aufgaben an seine Städte und Gemeinden abzugeben, die besondere Bürgernähe erfordern und von den Städten und Gemeinden geleistet werden können (z.B. die KfZ-Zulassung). Ein neuer Landkreis muss von seinen Städten und Gemeinden die Aufgaben zugebilligt be­kommen, die einer regionalen Gestaltung bedürfen. Dazu gehört die Regionalplanung, die künftig auch für die Stadt Göttingen durch einen neuen Landkreis wahrgenommen werden sollte. Auch die Berufsschulplanung ist originär eine regionale Aufgabe, die in die Hände des Landkreises gehört. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die der Wirtschaftsförderung, die bis­lang mindestens sechs Akteure wahrnehmen, ohne dass es eine hinreichende Geschlossen­heit bei der Darstellung der Region gibt. Dies muss sich ändern. Die Gründung weiterer Zweckverbände oder die punktuelle Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit als Allheilmittel ist nicht überzeugend zur Bewältigung der immensen Her­ausforderungen. Erstens drohen die Kosten von zahlreichen Kooperationen im Kleinen den Nutzen bei Weitem zu übersteigen. Zweitens sind Zweckverbände keine demokratisch legiti­mierten Gremien und durch die gewählten Volksvertreter nur schwer kontrollierbar sowie nur mittelbar steuerbar. Es besteht eine einmalige Chance, in Südniedersachsen einen Standortkonsens herzustellen, die politischen Kräfte zu bündeln und die kommunale Selbstverwaltung für die Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Der Landkreis Northeim hat vor dem Hintergrund der Fusionsverhand­lungen die für 2010 geplante Landratswahl abgesagt und die Amtszeit des amtierenden Land­rates um zwei Jahre verlängert. Auch im Landkreis Osterode am Harz hat der Kreistag die für ab November 2011 erforderliche Neuwahl eines Landrates/ einer Landrätin für zwei Jahre ausgesetzt. Das Fenster für eine Fusion ist offen, die Gelegenheit so günstig wie nie. Die politische Bündelung der Kräfte ist erforderlich, um die wichtigen Zukunftsthemen mit Aussicht auf Erfolg anpacken zu können. Den Fachkräftemangel abwenden, den demogra­phischen Wandel gestalten, Integration fördern und das Klima schützen bedarf einer gemein­samen Anstrengung und muss mit einer Hand entschlossen angepackt werden. Das Neben­einander in Südniedersachsen muss ein Ende finden. Von einem bürgerfernen Großkreis, den die politischen Gegner dieser Lösung ansprechen, kann keine Rede sein. Ein neuer Landkreis hätte langfristig nur rund 400.000 Einwohner und wäre mit dieser Einwohnerzahl noch nicht einmal unter den 10 großen Landkreisen deutschlandweit. Seine Ausdehnung mit etwa 3.000 Quadratkilometern entspricht der des Emslandes. Das Emsland zeigt mit Erfolg, dass diese Ausdehnung kein Hinderungsgrund für eine bürgernahe und leistungsstarke Ver­waltung ist und dass mit einem geschlossenen Auftreten eine Region sich von einer struktur­schwachen zu einer wirtschaftlich prosperierenden entwickeln kann. Aus diesen Gründen sollte der Landkreis Göttingen ergebnisoffene Verhandlungen mit den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz sowie der Stadt Göttingen führen. Die Öffent­lichkeit ist über die Verhandlungen zu informieren. Wenn belastbare Ergebnisse vorliegen, müssen die Bürgerinnen und Bürger auf breiter Basis über die Ergebnisse informiert werden, so dass sie sich intensiv und verbindlich an dem Willensbildungsprozess über eine Fusion beteiligen können.