Landrat Reuter hat bei der Einbringung des Haushalts das vorgelegte Zahlenwerk mit dem Prädikat „historisch“ beschrieben. Das ist ein großes Wort und doch auch mit guten Gründen Ausdruck der Realität. Vor uns liegt der letzte Haushalt, der durch diesen Kreistag verabschiedet wird. Der Haushalt für das Jahr 2017 steht dann schon in der Kontinuität der Verwaltungsreform der Jahre 1972/1973, indem er den dort beginnenden regionalen Prozess der Gebietsreform fortsetzt und zu einem Schlusspunkt führt. Ob dieser Prozess lediglich vorläufig ist oder ob sich mittelfristig noch weitere Entwicklungen ergeben, das können wir heute noch nicht abschließend beurteilen. Den Verlautbarungen nach gibt es anderen Ortes neues Interesse und in Göttingen sind fast alle Fraktionen unseres Kreistages für weitere Gespräche offen.

Historisch ist auch die Herausforderung, der wir uns gegenüber sehen aufgrund weltpolitischer Ereignisse und daraus resultierender Flüchtlingsströme, deren Auswirkungen wir vor Ort organisieren müssen. Das ist eine Herkulesaufgabe, die wir als kommunalpolitische Vertretung, aber auch als Gesellschaft gemeinsam zu bewältigen haben: Es erfüllt uns als Abgeordnete mit großer Dankbarkeit, dass diese Aufgabe in den Gemeinden des Landkreis Göttingen bisher so zuverlässig, weitestgehend widerspruchslos und im Vertrauen auf die Kraft und das Wohlwollen der meisten Menschen in unserer Region angenommen und ausgeführt wird, noch dazu in einer Zeit, in der lautstark Hass- und Hetzparolen von einer sich als politische Alternative rechtsaußen sammelnden völkischen Bewegung propagiert werden. Die jüngsten Beispiele dafür erleben wir in Duderstadt.

Ein bisschen historisch ist dieser Haushalt aber auch deshalb, Herr Dr. Noack, weil sich abzeichnet, dass nach vielen, vielen Jahren eine Opposition mal wieder einem Entwurf zustimmt und damit auch die Mitverantwortung für das Zahlenwerk übernimmt. Damit das nicht falsch verstanden wird: Die gesellschaftliche Herausforderung ist riesig, sie ist noch lange nicht gemeistert. Und deshalb darf es in dieser Frage keinen kleinkarierten Streit geben. Als demokratische Parteien und Fraktionen müssen wir in dieser Situation gemeinsam agieren. Und ich möchte Ihnen für die Bereitschaft Ihrer Gruppe, diese Verantwortung mit uns zu schultern, danken und meinen Respekt bekunden. Überhaupt kein Verständnis habe ich für die Linken, die sich heute mit einer Zustimmung in die Reihen derjenigen hätten eingliedern können, die sich zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bekennen. Sie haben den Willen dazu leider nicht aufbringen können und lassen ihre Zustimmung an absoluten Nebensächlichkeiten scheitern. Aber vielleicht waren es auch die Trotzkisten der SAV, die bei Ihnen wohl neuerdings den Diskurs bestimmen.

Natürlich bildet sich das Flüchtlingsthema deutlich erkennbar in unserem Haushalt ab. Es wird aber in Verbindung mit den uns zugewiesenen Menschen meiner Meinung nach viel zu oft von Kosten gesprochen. Diese Sprachpraxis versteckt ein wenig die Tatsache, dass sich hinter diesen Kosten sehr viele qualifizierte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verbergen, dass Bildung initiiert wird, was letztlich eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft darstellt, dass Beschaffungskosten daraus finanziert werden bis hin zu Immobilienkäufen. Schon durch diese wenigen Hinweise wird deutlich, dass alle diese Maßnahmen kurzfristig und über die Jahre hinweg natürlich auch eine volkswirtschaftliche Nachwirkung entfalten. Ganz abgesehen davon, dass eine gelingende Integration in einer alternden und zahlenmäßig schrumpfenden Gesellschaft mit einem erhöhten Facharbeiterbedarf in Handwerk und Industrie einen großen Segen für unser Land entfalten kann. Die Mehrheitsgruppe hat deshalb in den Haushaltsberatungen die Verwaltung gebeten, sich über das Förderprogramm des Bundes „Bildung ist der Schlüssel“ um weitere Finanzmittel in beachtlicher Höhe zu bemühen und sich bei der Bildung und Ausbildung von Flüchtlingen noch über das schon erkennbare Maß hinaus zu engagieren.

Wir vergessen aber auch diejenigen nicht, die vorübergehend oder längerfristig aus dem Arbeitsmarkt gefallen sind und unserer Hilfe bedürfen. Die Mittel im Sozialhaushalt stehen auch in diesem Jahr in ungekürzter Höhe zur Verfügung. Es muss sich an dieser Stelle links von uns also niemand Sorgen machen: Wir achten auf die soziale Balance. Das ist in einer sozialdemokratischen Fraktion und bei einem SPD-Landrat als Grundimpuls für Denken und Handeln fest verankert. Und das betrifft nicht nur die Langzeitarbeitslosen, für deren Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft dieser Haushalt die notwendigen Mittel und Strategien bereit stellt.

Es gilt verstärkt auch für Kinder und Jugendliche, die in höherer Zahl und in früheren Jahren unserer wohlwollenden Unterstützung bedürfen. Ich will hier nur ein Projekt aus dem Bereich der Jugendhilfe herausstellen, von dem wir hoffen, dass es im kommenden Schuljahr verstärkt angenommen wird. Der Landkreis bietet den Trägern der Grundschulen – also den Gemeinden und Samtgemeinden - eine 100-prozentige-Finanzierung für 6 Sozialpädagoginnen und Sozialopädagogen für die nächsten Jahre an. Diese sollen nach Fallzahlen der Jugendhilfe in den Grundschulen tätig werden, um früh intervenieren zu können und präventiv denjenigen Schülerinnen und Schülern die notwendige Unterstützung zu geben, die diese dann in die Lage versetzt, schon in der Grundschule eine möglichst positive Entwicklung zu nehmen und die es ihnen im Weiteren möglich macht, weiterführende Schulen erfolgreich und mit einem guten Abschluss zu durchlaufen. Das ist eine Maßnahme der Jugendhilfe des Landkreises, die uns sehr am Herzen liegt und deren Umsetzung wir mit großem Interesse beobachten werden. Ansonsten ist die Einstellung von Sozialpädagogen an Schulen Sache des Landes. Da sind wir einer Meinung mit der Opposition und stimmen mit dem Landrat überein, der genau das vor einem Jahr in seiner Haushaltsrede formuliert hat und der meines Wissens schon seit einiger Zeit in seiner Funktion als Vizepräsident des Niedersächsischen Landkreistages in dieser Sache Gespräche mit der Landesregierung führt. Hier muss sich das Land bewegen. Egal übrigens, wer in Hannover in den letzten Jahren regiert hat, in dieser Angelegenheit ist noch keine der verschiedenen Landesregierungen ihrer Verantwortung dafür umfassend nachgekommen.

Auch in diesem Jahr ist der Bereich der Bildungsinfrastruktur ein Schwerpunkt bei den Investitionen des Haushalts. Wir investieren rund 20 Millionen € in bauliche Maßnahmen, darunter sind 6,5 Mio €, die in die fünf Berufsbildenden Schulen fließen, dazu kommen Maßnahmen an allgemein bildenden Schulen wie z. B. die 6,5 Mio € für den Neubau der Sporthalle Groß Schneen, ca. 1 Mio €, die ins Schulzentrum Duderstadt fließen, 1,2 Mio € für das Grotefend-Gymnasium und eine halbe Mio €, mit der das Hallenschwimmbad in Gieboldehausen technisch auf den neuesten Stand gebracht wird. Der Kreis nimmt richtig Geld in die Hand, um seine Bildungsinfrastruktur auf einem hohen Niveau zu halten.

Weitere Akzente setzen wir als Gruppe in den Bereichen Natur und Umwelt sowie Kultur und Bildung. Ich will stellvertretend für den Kulturbereich zwei Institutionen nennen, deren verstärkte Förderung wir sehr begrüßen. Das Junge Theater kann künftig mit deutlich mehr Unterstützung rechnen. Der Förderbetrag wird mit diesem Haushalt auf 50.000 € erhöht und stabilisiert die Situation des Theaters dadurch ganz erheblich. Das JT kann damit weiter seine herausragende Rolle in der vielfältigen Theaterszene wahrnehmen. Auch die Händel-Festspiele können eine Erhöhung des Kreiszuschusses in ihrem Budget einplanen. Dass wir daneben auch die anderen kulturellen Leuchttürme, aber auch die eher kleineren Kulturträger vor Ort im Rahmen unserer Möglichkeiten weiterhin zuverlässig fördern, versteht sich von selbst.

Besonders erfreut sind wir darüber, dass es gelang, den Mittelansatz für den Naturpark Münden noch einmal um weitere 20.000 € zu erhöhen, so dass der Zuschuss an den Naturpark nunmehr 60.000 € beträgt. Diese Institution ist von großer Bedeutung für viele Bürgerinnen und Bürger im südlichen und westlichen Landkreis. Wir wollen mit diesem erhöhten Ansatz den Naturpark in die Lage versetzen, die Arbeit erfolgreich fortzusetzen, vielleicht sogar auch neue Ideen im Bereich Naturschutz zu entwickeln und umzusetzen.

Wie ich schon sagte: Der Haushalt ist gut strukturiert, zwischen den Haushaltsschwerpunkten nachvollziehbar ausbalanciert, er stellt sich der Verantwortung für aktuelle Entwicklungen, er beachtet die langfristigen Problematiken bei unterstützungsbedürftigen Einwohnerinnen und Einwohnern, er baut weiterhin Schulden ab, er vollzieht mit einem leichten Überschuss fast eine Punktlandung und ist finanzpolitisch eine geradezu perfekte Grundlage für die vor uns liegende Fusion mit dem Landkreis Osterode. Und vor diesem Hintergrund waren wir, bevor wir von ihrer Zustimmung erfuhren, sehr gespannt, welches Argument die Opposition nun ins Feld führen könnte, um diesen Haushalt abzulehnen.

Sie sind dann im Finanzausschuss zum zweiten Mal mit der Forderung kommen, man müsse das mittlerweile ausgelaufene EU-Programm für kleinere und mittelständische Unternehmen auf eigene Verantwortung fortsetzen. Sie vermissen also jenseits der im Haushalt eingestellten 300.000 € für die WRG und der eingestellten 60.000 € für Wirtschaftswachstumsprojekte noch weitere Wirtschaftsförderung. Sie wissen natürlich alle, dass das KMU-Programm durchaus umstritten war wegen seines gelegentlichen Mitnahmeeffekts. Und fehlende Evaluierung bedeutet auch nicht zwangsläufig erfolgreiche Umsetzung. Viel wichtiger ist es nach unserer Auffassung, dass wir erkennen, dass die EU-Förderung jetzt andere Wege geht, an denen sich der Landkreis übrigens beteiligt. Es geht im neuen Ansatz darum, die Verteilung der EU-Mittel stärker an die Landesentwicklung zu knüpfen. Und da darf ich doch in aller Bescheidenheit auf das von ihnen als eher untauglich kritisierte Südniedersachsenprogramm verweisen, das die jahrelange Vernachlässigung des südniedersächsischen Raumes ein Stück weit kompensieren möchte und das mittlerweile sichtbar Wirkung entfaltet. Was ist das denn sonst, als ein durchdachtes, interessant strukturiertes, zukunftsweisendes und finanziell gut hinterlegtes Förderprogramm für Bildung, Ausbildung und Wirtschaft in unserem Landkreis? Ich wage mal die Prognose: Auch mit diesem Programm werden sie als Opposition in einigen Jahren noch ihren Frieden machen.

Für uns überraschend hat Frau Dornieden als Geschäftsführerin des Kreisverbands des Nieders. Städte- und Gemeindebunds ein zweites Investitionsprogramm Lunilar gefordert. Wir müssen hierbei aber bedenken, dass ein solches Programm unseren eigenen Haushalt über fünf Jahre durch Abschreibungen belastet, und da stellt sich die Frage, ob wir in der aktuellen Situation etwas wiederholen sollten, was die Spielräume des Kreishaushalts mittelfristig einengen könnte. Wir halten das für nicht zielführend. Dazu konmt, dass zwar verschiedene Investitionen in den Gemeinden bereits getätigt oder auf den Weg gebracht wurden, in diesem Haushaltsjahr allerdings erst 108.000 € abgeflossen sind. Weitere 346.000 € könnten bis Jahresende noch abgerufen werden. Die restlichen 1,5 Mio € sind zwar in den Gemeinden eingeplant, werden aber erst in 2016 zur Auszahlung kommen. Es zeigt sich in der Praxis, dass Lunilar wohl eher ein 2-Jahresprojekt ist. Der Gedanke des Kreisverbandes ist allerdings weder im Finanzausschuss noch im Kreisausschuss thematisiert worden. Insofern stand er dann auch nicht zur Beschlussfassung an.

Halten wir abschließend im Stile eines Faktenchecks fest:

1. Seit mehreren Jahren baut der Landkreis Göttingen seine Schulden ab. Für das Jahresende 2016 gehen wir von erneut reduzierten langfristigen Schulden in Höhe von 33 Millionen € aus, was einem Schuldenabbau in 2016 von etwa 20 Prozent entspricht und gemessen an einem 414-Millionen-Haushalt wahrlich ein außerordentlich gutes Ergebnis ist, mit dem der Landkreis Göttingen sich bundesweit sehen lassen kann.
2. Diese Entwicklung schafft uns Freiräume, die wir beispielsweise nutzen, um den riesigen Investitionsstau und die Wertevernichtung abzuarbeiten, die aufgrund der – wie Sie es nannten, Herr Dr. Noack, – vorbildlichen Finanzpolitik der früheren Jahre auf uns übergegangen sind.
3. Fakt ist auch, dass allein die beiden Haushaltsjahre 2015/2016 im Bereich der Investitionen mit 51 Millionen € ein Investitionsvolumen erreichen, von dem frühere Mehrheiten noch nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Was sind 51 Millionen Euro Investitionen in zwei Jahren denn anderes als ein schon fast gigantisches Wirtschaftsförderprogramm für unseren Landkreis!?
4. Der Haushalt ist ausgeglichen, weil eine Verordnung des Landes es möglich machte, die aus der aktuellen Problematik entstehenden Lasten schon jetzt als Forderung an das Land zu buchen. Wir halten das für absolut richtig – und keinesfalls für einen Trick, wie ich es heute Morgen lesen musste. Dieses Geld steht den Kommunen zu! Die Zusage der Landesregierung, das Geld als Forderung an das Land in den Haushalt einzustellen, ermöglicht vielen Kommunen, auch in dieser schwierigen Zeit ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Was hilft es, wenn man in einem Haushalt mit negativen Zahlen darauf verweisen kann, dass das Geld dann in zwei Jahren sicher kommen wird? Der aktuelle Haushalt ist das Signal in die Bevölkerung hinein. Und dieses Signal an die Bürgerinnen und Bürger ist positiv. Insofern auch großer Dank an die Landesregierung, die den Kommunen dieses Signal der Stärke ermöglicht.

Wir werden diesem Haushalt zustimmen. Er ist sozial ausgewogen, er packt die übergeordneten Herausforderungen mutig an, er widmet sich den klassischen Aufgaben des Landkreises in den Bereichen Soziales, Jugendhilfe, Bildung, Kultur, Natur und Umwelt und er investiert wie nie zuvor. Der Haushalt ist eine präzise Steilvorlage für weitere erfolgreiche Jahre und erweist sich dadurch als eine geradezu perfekte Überleitung in den zukünftig fusionierten Landkreis.