Der Kreistag des Landkreises Göttingen möge beschließen: 

Der Kreistag Göttingen ruft alle im Grundgesetz hierzu berufenen Institutionen auf - den Bundestag, die Bundesregierung sowie den Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland die notwendigen Schritte zur Einleitung eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht zwecks Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes einzuleiten. Dabei soll insbesondere erwogen werden, einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD zu stellen und im Falle verfassungsfeindlicher Bestrebungen die AfD nach Artikel 21 Absatz 3 Grundgesetz von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Als niedersächsischer Landkreis rufen wir insbesondere das Land Niedersachsen dazu auf, einen entsprechenden Prüfantrag im Bundesrat zu initiieren und diesbezügliche Initiativen anderer Bundesländer zu unterstützen. 

Begründung: 
Die AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Die Partei verfolgt nach Überzeugung des Verfassungsschutzes ideologische und politische Ziele, die mit den Grundprinzipien des Grundgesetzes unvereinbar sind. Die Radikalität der Partei, ihre strukturellen Verbindungen in rechtsextreme Kreise und ihre Versuche, demokratische Institutionen von innen heraus zu delegitimieren, gefährden die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Dabei lehrt die deutsche Geschichte, dass demokratische Strukturen von demokratiefeindlichen Parteien zur Abschaffung der Demokratie genutzt werden können. Um dieser Gefahr zu begegnen, hat unser Grundgesetz Vorsorge getroffen und die Möglichkeit eines Parteienverbots durch das Bundesverfassungsgericht konstituiert. Der Verfassungsschutz hat als zuständige Fachbehörde die Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die AfD eindeutig festgestellt. Damit besteht nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verpflichtung, dem Bundesverfassungsgericht die Verbotsprüfung zu ermöglichen. Angesichts der offenkundigen verfassungsfeindlichen Tendenzen der AfD erscheint es folgerichtig, auch über einen Finanzierungsausschluss der AfD nach Art. 21 Abs. 3 GG zu beraten, falls ein unmittelbares Parteiverbotsverfahren Zeit in Anspruch nimmt oder rechtliche Hürden bestehen. Auf diese Weise würde zumindest verhindert, dass Steuergelder weiterhin die Agitation einer verfassungsfeindlichen Partei mitfinanzieren.
Zum Schutz unserer Verfassung und zur Wahrung der Menschenwürde aller in Deutschland lebenden Menschen ist es geboten, ein Verbot der AfD ernsthaft zu prüfen. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der AfD feststellen, wäre damit nicht nur ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt – es stünde dann auch die Option offen, diese Partei von der staatlichen Finanzierung auszuschließen und somit ihrem verfassungsfeindlichen Treiben die öffentliche Unterstützung zu entziehen. Der Kreistag Göttingen ruft deshalb alle antragsberechtigten Institutionen auf, ihrer Verantwortung für eine wehrhafte Demokratie gerecht zu werden. Mit dieser Resolution setzt der Landkreis Göttingen auch ein deutliches Zeichen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, eine vielfältige Gesellschaft und die Unantastbarkeit der Menschenwürde. 

Weitere Erläuterungen: 
Verfassungsrechtliche Grundlage 

(Art. 21 GG) Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes bestimmt, dass „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig sind“. Das Grundgesetz hat damit – als Lehre aus der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus – klare Kriterien aufgestellt, wann Parteien als verfassungsfeindlich einzustufen sind. 

Gleichzeitig gilt: 
Nur das Bundesverfassungsgericht kann über die Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheiden. Weder Bundestag, Bundesrat noch Bundesregierung dürfen eigenständig ein Parteiverbot aussprechen. Allerdings sind diese Verfassungsorgane ausdrücklich berechtigt, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Prüfung der Verfassungswidrigkeit zu stellen, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Partei vorliegen. 


Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz
Es liegen mittlerweile zahlreiche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD vor. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD seit 2019 beobachtet: Am 15. Januar 2019 wurde die Partei zunächst als Prüffall eingestuft, am 25. Februar 2021 bundesweit schließlich als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Diese Einstufung erlaubt dem Verfassungsschutz den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die AfD. Die AfD versuchte sich juristisch dagegen zu wehren – jedoch ohne Erfolg. 

Im März 2022 bestätigte das Verwaltungsgericht Köln die Rechtmäßigkeit der Beobachtung der AfD als Verdachtsfall; und mit Urteil vom 13. Mai 2024 hat das Oberverwaltungsgericht Münster diese Entscheidung vollumfänglich bestätigt. Das Gericht stellte fest, dass aufgrund der umfangreichen Belege des Verfassungsschutzes hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Funktionäre, Mandatsträger und Mitglieder der AfD Bestrebungen verfolgen, die sich gegen die Menschenwürde bestimmter Gruppen und gegen das Demokratieprinzip richten. Konkret sah das OVG Münster den begründeten Verdacht, „dass zumindest ein maßgeblicher Teil der AfD das Ziel verfolgt, die Anerkennung bestimmter Gruppen (z. B. Muslime, Migranten) als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft zu verweigern und grundlegende demokratische Prinzipien abzulehnen“. Auch Gerichte auf Landesebene teilen diese Einschätzung: So führte etwa das Thüringer Oberverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 19. Februar 2024 aus, dass Positionen der AfD (Landesverband Thüringen) – etwa der propagierte „Ethnopluralismus“, die Darstellung des Islam als Bedrohung und die Warnung vor einer angeblichen „Veränderung des Staatsvolkes“ – auf eine Grundhaltung hinweisen, die mit zentralen Verfassungsgrundsätzen der Menschenwürde, Religionsfreiheit, Gleichbehandlung und dem Demokratieprinzip unvereinbar ist.

Diese gerichtlichen Feststellungen untermauern, dass die AfD in weiten Teilen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung arbeitet. Verfassungsfeindliche Äußerungen und Handlungen führender AfD Funktionäre Die AfD und ihre Führungsfiguren wenden sich erkennbar gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. So werden die Würde des Menschen und das Diskriminierungsverbot von führenden Funktionären, Mandatsträgern und Mitgliedern der AfD offen in Frage gestellt. Insbesondere zielen AfD-Positionen darauf ab, die Rechte von bestimmten Gruppen einzuschränken oder aufzuheben – etwa von Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen, Angehörigen der LGBTQ-Community sowie autochthonen Minderheiten – zugunsten einer völkisch-nationalistischen Vorstellung eines „ethnisch reinen“ deutschen Staatsvolkes. Diese Ziele widersprechen fundamental dem Gleichheitsgrundsatz und der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Zahlreiche Äußerungen führender AfD-Politiker dokumentieren verfassungsfeindliches Gedankengut. Immer wieder kam es zu Verharmlosungen der Verbrechen des Nationalsozialismus bis hin zu offenen Bekundungen der Zustimmung zu ebendiesen durch AfD-Funktionäre und Mandatsträger. 

Beispielhaft sei Björn Höcke, AfD-Fraktionschef in Thüringen, genannt: Er wurde jüngst zweimal rechtskräftig verurteilt, weil er öffentlich die strafbare SA-Parole „Alles für Deutschland“ benutzt hatte. Darüber hinaus bedienen sich AfD-Mandatsträger regelmäßig eines Vokabulars und von Parolen, die aus der Sprache der Nationalsozialisten stammen. Solche positiven Bezüge auf den Nationalsozialismus sind keine Ausrutscher, sondern offenbar ideologisch gewollt und strategisch eingesetzt. Ebenso erschreckend sind aktiv verfassungsfeindliche Handlungen aus AfD Kreisen. So wurde bekannt, dass führende AfD-Mitglieder an Plänen für eine „Remigration“ (Massenabschiebung) selbst von in Deutschland geborenen Bürgern mit Migrationshintergrund arbeiten, die weit über verfassungsgemäße Maßnahmen hinausgehen. 

Außerdem unterstützten Personen aus dem Umfeld der AfD eine rechtsterroristische Vereinigung um den sogenannten „Prinz Reuß“, welche einen gewaltsamen Umsturz plante – unter anderem verhalf die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann Angehörigen der ReichsbürgerSzene mehrfach Zutritt zu Gebäuden des Deutschen Bundestages, um diesen Umsturz vorzubereiten. Diese Vorgänge zeigen, dass Teile der AfD nicht nur rhetorisch, sondern auch aktiv die Abschaffung der demokratischen Ordnung in Kauf nehmen oder sogar befördern. Einschränkung der staatlichen Parteienfinanzierung (Art. 21 Abs. 3 GG) Neben dem eigentlichen Parteiverbotsverfahren bietet das Grundgesetz seit 2017 ein weiteres Instrument zum Schutz der Demokratie: Artikel 21 Absatz 3 GG ermöglicht es, verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Dieser Schritt kommt insbesondere dann in Betracht, wenn zwar die Verfassungswidrigkeit einer Partei festgestellt wird, aber andere Gründe (etwa fehlende „Potentialität“ im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG) ein formelles Verbot scheitern lassen. Durch den Ausschluss von Steuermitteln soll verhindert werden, dass der Staat extremistische Parteien finanziell fördert. Erst vor Kurzem hat das Bundesverfassungsgericht dieses Mittel angewandt: Mit Urteil vom 23. Januar 2024 entschied der Zweite Senat des BVerfG, die rechtsextreme Kleinpartei NPD (inzwischen umbenannt in „Die Heimat“) für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Grundlage war die Feststellung, dass die NPD nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die freiheitliche demokratische Grundordnung missachtet und auf ihre Beseitigung ausgerichtet ist Diese Beschreibung – der Aufbau eines autoritären Staates auf Basis einer ethnischen Volksgemeinschaft, verbunden mit der Missachtung der Menschenwürde aller „Nicht-Deutschen“ – macht deutlich, dass das Gedankengut der NPD in vielerlei Hinsicht Parallelen zur Ideologie der AfD aufweist.