Rede zum Kreishaushalt 2018 am 20. Dezember 2017 im Kreistag

von Reinhard Dierkes, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion Göttingen

Anrede,

es liegt dem Kreistag nunmehr der zweite Haushalt des Landkreises nach der Fusion vor. Dieser Haushalt für das Jahr 2018 könnte jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt den Eindruck erwecken, er sei ein Stück weit auf Kante genäht. Die finanziellen Spielräume sind offensichtlich etwas enger geworden und er weist einen leichten Fehlbetrag aus. Bei genauerem Hinsehen erkennt man aber: Das Zahlenwerk erscheint uns nur deswegen auf Kante genäht, weil es unter den Bedingungen des Zukunftsvertrages bewertet wird. Ein Blick über 7 - 8 Jahre zurück reicht aus und wir erkennen mühelos, dass ein Haushalt wie der heute zu verabschiedende seinerzeit geradezu ein Wunschhaushalt gewesen wäre. Eine Überschussrücklage von 17 Mio. Euro Ende 2016 und ein erwarteter Haushaltsausgleich für 2017 tun das Übrige!

Zu den Globalzahlen des Haushalts und zu den Teilhaushalten ist schon in den Fachausschüssen viel Richtiges und Wichtiges gesagt worden, ich muss das nicht wiederholen. Nur die Relation des Fehlbetrags sollte man sich vielleicht noch kurz in Erinnerung rufen. Wenn es bei den jetzt erwarteten 1,3 Mio. Euro bleibt, dann sind das bezogen auf einen 617 Mio. Euro-Haushalt gerade mal 0,2 Prozent - also eine Zahl, die jedenfalls aus Sicht der SPD-Fraktion als unproblematisch eingeordnet wird. Während der von mir ja durchaus geschätzte Kollege Harm Adam diesen Haushalt im Vorfeld der Debatten mit den Worten „bedenkliche Entwicklung“ und „Besorgnis erregend“ bezeichnete, hat der ebenso geschätzte Kollege Dr. Noack auf „Haushaltskosmetik“ getippt und er geht davon aus, dass der Fehlbetrag am Ende des Jahres 2018 verschwunden sein wird. Die erste Einschätzung hinsichtlich der Kosmetik teile ich nicht. Die zweite hingegen würde ich als durchaus möglich und sogar als wünschenswert unterschreiben.

Vielleicht hilft es bei der Einordnung dieses Haushalts, wenn wir uns kurz in Erinnerung rufen, was uns der Zukunftsvertrag in seinen Eckdaten für 2018 aufgegeben hat: Wir liegen mit der Summe der ordentlichen Aufwendungen etwa 80 Mio. € höher als es der Zukunftsvertrag vorausberechnet – was einer Steigerung um 15,4 % entspricht. Und trotzdem ist das Defizit im Haushalt noch etwa 1,2 Mio. € geringer, als das Vertragswerk für 2018 erwartet – was einer Verbesserung um fast 50 % entspricht. Das ist jedenfalls kein Anlass zur Besorgnis, ich nenne das eine Punktlandung in der Folge vorhergegangener nachhaltiger Haushaltspolitik. Der Koalitionsvertrag der großen Koalition in Hannover sieht übrigens vor, dass Entlastungen des Bundes, die für die Kommunen bestimmt sind, vollständig an diese weitergeleitet werden. Bisher hat das bei mir noch nicht den notwendigen Optimismus ausgelöst. Aber warten wir das mal miteinander ab und hoffen gemeinsam das Beste.

Der Landrat hat bei der Einbringung darauf hingewiesen, dass der Landkreis neue Aufgaben auferlegt bekommen hat. Gegen neue Aufgaben hat niemand etwas einzuwenden, wohl aber ist damit die Erwartung verbunden, dass mit den Aufgaben die entsprechenden Finanzierungsmittel herüberwachsen. Das ist bisher jedenfalls eher in Ausnahmen der Fall. Es ist daher gut, dass auch der Kreistag sich in seinen Beratungen in der Frage des Stellenplans und der Stellenneubesetzung in sehr großer Mehrheit der restriktiven Handlungsweise des Landrats angeschlossen hat und diese stützt. Dass wir darüber hinaus den Stellenplan einer Aufgabenkritik unterwerfen wollen, wird insbesondere den folgenden Kreishaushalten zuträglich sein: Die Vorgaben des Zukunftsvertrages können dadurch auch künftig eingehalten werden. Das nennen wir dann nachhaltige Politik.

Was liegt nun für 2018 an? Wir sind sehr erfreut darüber, dass auch dieser Haushalt einen hohen Betrag für Investitionen ausweist. Mit fast 38 Mio. € lässt sich schon etwas bewegen.

Große Herausforderungen liegen nach wie vor im Bereich der sozialen Teilhabe und der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Hier bedauern wir sehr, dass der Vorstoß von Andrea Nahles, damals noch im Amte der Arbeitsministerin, nicht erfolgreich war, als sie versuchte, den noch durch Wolfgang Schäuble radikal gekürzten Ansatz für die Eingliederungsmittel im HH-Entwurf des Bundes für 2018 wieder zu erhöhen. Den Ärger haben wir vor Ort, weil uns die Finanzierung der Eingliederungsmaßnahmen dadurch nicht so optimal gelingen kann, wie wir uns das wünschen. Meine Hoffnung geht dahin, dass sowohl der Brief des Landrats an die Bundestagsabgeordneten als auch die Resolution des Kreistages zum gleichen Thema im Zuge der gerade in Berlin stattfindenden Gespräche noch von Erfolg gekrönt sein könnten. Ich habe mich jedenfalls sehr gefreut, dass sich die CDU-Fraktion hinter die Kreistagsresolution stellt – und damit gegen Herrn Schäubles Kürzungspläne und für Frau Nahles Position bezogen hat.

Weitere bedeutsame Inhalte des Haushalts will ich hier nur kurz streifen: Die Gemeinden erhalten erstmals für die Laufzeit des Vertrages 4 Mio. € jährlich als Betriebskostenzuschuss für ihre Kindertagesstätten. Wir kümmern uns intensiv um kulturelle Belange unseres Landkreises. Das Sportstättenprogramm greift künftig auch im Bereich des Altkreises Osterode. Ein besonderer Schwerpunkt liegt darin, die großen Projekte Kloster Walkenried und das Höhlenerlebniszentrum in Bad Grund für die Zukunft aufzustellen. Für den sozialen Betrieb Handweberei Rosenwinkel haben wir immerhin noch zusätzliche 5.000 € mehr – und damit insgesamt 40.000 € – in den Haushalt einstellen können. Wir nehmen unsere Verantwortung für diesen sozialen Betrieb sehr ernst. Die Stelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie wird entfristet. Sie wird weiterhin mit großem Engagement ihre Arbeit tun und gegen alle möglichen Extremismen präventiv und begleitend zu Werke gehen. Und in Bezug auf die Hellhörigkeit und Sensibilität in Sachen Extremismus brauchen Sozialdemokraten als in der Geschichte betroffene Parteigänger keinerlei Nachhilfe.

Schauen wir noch kurz auf die Vorstellungen der politischen Konkurrenz: 100 sozialversicherungspflichtige Stellen einzuplanen hieße, dem Haushalt von Beginn an jede Chance auf Genehmigung zu nehmen. Die völlig unbegründete Hoffnung darauf, dass die EU diese vielleicht 5 Millionen € mitfinanzieren könnte, macht das Ansinnen nicht besser. Die Einrichtung eines Jugendparlaments wurde mal eben mit einem sechsstelligen Betrag angekündigt. Wir finden, es gibt bessere Möglichkeiten jugendlicher Partizipation. Und weitere 475.000 € für verschiedene Maßnahmen auszugeben, die man dann über ein Anzapfen der Gewinne der Sparkassen gegenfinanzieren will, ist angesichts der momentanen Großwetterlage dieser Institute und deren Auflagen so daneben, dass es keines weiteren Kommentars bedarf. Unabhängig davon offenbart sich hier mangelnde Kenntnis der Zuständigkeiten: der Kreistag hat keinerlei Kompetenzen hinsichtlich der Verteilung von Gewinnen der Sparkassen. Einziger Zweck dieses Vorschlags ist wohl: Es enthebt die Antragsteller einer ernsthaften Beschäftigung mit einer Gegenfinanzierung. Aber vielleicht wurde diese Gegenfinanzierung ja auch von der lustigen „Partei“ ins Spiel gebracht und das alles ist nur ein Spaß, ein Gag, so eine Art Haushaltssatire? Seriöse Politik kann man so jedenfalls nicht machen, ist wohl auch nicht die Absicht.

Andere Fraktionen sind in monatlich wechselnder Fraktionsstärke ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, weswegen für eine inhaltliche Mitarbeit im Kreistag offensichtlich keine Ressourcen mehr zur Verfügung stehen. So gesehen bekommt der Begriff „alternativlos“ eine ganz neue Bedeutung.

Aber unsere geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der CDU waren in Angelegenheiten des Haushalts fleißig unterwegs, wenn auch in unterschiedliche und offenkundig nicht immer abgestimmte Richtungen. Im Frühjahr 2017 kritisierte Herr Adam im Rahmen des Jahresabschlusses 2016 die gute Haushaltslage und forderte, die Kreisumlage zu senken. Im Sommer kamen ihm dann starke Bedenken und er forderte, Landrat und Kreistagsmehrheit mögen angesichts von bundesgesetzlich veranlassten Stellenmehrungen doch besser mit den Finanzen umgehen. Er machte sich „große Sorgen“ um den Haushalt. Ja, was denn nun?, möchte man fragen. Aber sei`s drum: Herbstzeit ist Jagdzeit und damit angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen hinreichend Grund für die Forderung, man möge die Jagdsteuer abschaffen und auf 250.000 € Einnahmen verzichten. Und dass der Kreis angesichts der im Sommer geäußerten großen finanziellen Besorgnis nun im Herbst auch noch in der Lage sein sollte, die Schwimmbadnutzung für die Vereine kreisweit zu finanzieren, passt irgendwie nicht in dieses von Sorgen geprägte Bild, ebenso wenig wie die Forderung, Gelder für den Austausch der kreisangehörigen Gemeinden mit den jeweiligen Partnergemeinden einzustellen. Jetzt ist es Winter und Sie haben öffentlich und für jeden nachlesbar angekündigt, diesem Haushalt zuzustimmen. Nun aber kommt der offensichtlich einer politischen Zwangslage geschuldete und etwas verkrampfte Versuch dazu, Gelder für die Fortbildung der Tagespflegekräfte zu 100 % zu finanzieren. Das kann sich im Bereich von Kita- und Heilpädagogik schnell auf einen 6-stelligen Betrag summieren und man muss dazu wissen, dass der Landkreis über das Jahr verteilt selber solche Fortbildungen kostenlos anbietet. Und seit gestern im Kreisausschuss beantragen Sie, noch ganz auf die Schnelle 75.000 € in den Haushalt einzustellen, um das Fachwerk5Eck zu finanzieren. Unabhängig davon, dass die gemeinsame Arbeit der fünf Städte auch aus unserer Sicht eine sehr sinnvolle Sache ist und wir uns intensiv bemühen werden, den Städten politisch noch behilflich zu sein, müssen wir hier zunächst einmal ein völliges Versagen der hauptamtlichen Bürgermeister aus Hann. Münden, Osterode und Duderstadt feststellen, die offensichtlich geglaubt haben, ein unverbindliches Gespräch mit dem Landrat im Februar sei hinreichend Garantie dafür, dass ein Kreistag gewissermaßen im Hauruckverfahren und nach Ablauf aller Haushaltsfristen so eben mal 75.000 € in einem ohnehin engen Haushalt unterbringen kann. Das ist so kurzfristig nicht machbar. Fragen Sie doch dazu einmal die Finanzdezernentin Frau Dornieden. Die kann Ihnen die Situation im Einzelnen erklären. Hier hätte man sich früh genug und parallel um alternative Finanzierungen kümmern müssen, die bei Versagung der Bundes- und Landesmittel anderenorts dann hätten greifen können. Weder Kreistag noch Landrat haben hier irgendeine Zuständigkeit. Und in der Vergangenheit haben die 5 Städte tunlichst darauf geachtet, dass sich der Kreis in diesen Prozess nicht einmischt. Gleichwohl halten wir diese Städtekooperation als SPD-Fraktion für eine sinnvolle Einrichtung und sind bemüht, uns im Sinne der 5 Städte nach Kräften überall einzusetzen. Dieses Versprechen nehmen Sie uns bitte ab.

Es wird klar: Jahreszeitliche Schwankungen haben offensichtlich Auswirkungen auf das etwas unstete finanzpolitische Gemüt der CDU-Fraktion. Einmal gibt es Grund zu großer Sorge, ein anderes Mal wird umfassend gefordert, ohne auch nur einen einzigen Vorschlag zur Finanzierung zu machen. Einmal wird eine deutliche finanzielle Mehrbelastung des Haushalts gefordert und ein anderes Mal spricht Harm Adam davon, der Landrat habe alle seine Warnungen hinsichtlich einer vorsichtigen Haushaltspolitik in den Wind geschlagen. Mir fällt da nur noch Heinrich Böll ein: „Wo warst du, Adam?“, als diese in sich doch völlig widersprüchlichen Anträge in der CDU-Fraktion behandelt wurden. Ein haushaltspolitischer Kompass ist jedenfalls nicht erkennbar.

Über eines bin ich jenseits dieser Haushaltsdebatte besonders froh: Das Südniedersachsenprogramm – von Ihnen bisher skeptisch bis ablehnend begleitet – wird mit der neuen Koalition fortgesetzt – zukünftig sogar mit Unterstützung der Landes-CDU – und damit vielleicht künftig auch der Kreis-CDU. Das ist eine sehr gute Nachricht.

Die SPD-Fraktion wird diesem Haushalt ohne jeden Vorbehalt zustimmen. Sie bezeichnet ihn finanzpolitisch als nachhaltig, inhaltlich zukunftsweisend, in den Investitionsansätzen als kraftvoll, in den Teilbereichen des Haushalts ausgewogen und in der mittelfristigen Entwicklung insgesamt mit einer nachvollziehbar guten Perspektive ausgestattet. So gesehen gibt es allen Grund, diesem Haushalt mit großer Überzeugung zuzustimmen. Sie sollten alle auch so verfahren.