Dringlichkeitsantrag zur Sitzung des Kreisausschusses am 01.03. sowie des Kreistages am 02.03.2022

Interfraktionelle Resolution der Gruppe SPD / Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der Fraktionen von CDU, FDP, DIE LINKE und FWLG im Kreistag Göttingen


Der Kreisausschuss möge empfehlen, der Kreistag möge beschließen:

Der Kreistag bittet sowohl die Landesregierung Niedersachsen als auch die Bundesregierung, die Bereitschaft zu signalisieren, umgehend Geflohene aus der Grenzregion Polen-Belarus im Rahmen des jeweils geltenden Landeskontingents aufzunehmen, um einen Beitrag zur Entschärfung der unmenschlichen Situation der Geflohenen zu leisten. Die Verwaltung soll darüber hinaus den hierfür zuständigen Stellen im Land und Bund die Bereitschaft des Landkreises zur Aufnahme der Geflüchteten aus der Grenzregion Polen-Belarus zur Kenntnis geben.


Begründung
Die durch das unmenschliche Verhalten des belarusischen Präsidenten Lukaschenko verursachte Lage der an der belarusisch-polnischen Grenze campierenden geflüchteten Menschen stellt eine menschliche Tragödie dar.

Einen Asylantrag in Polen zu stellen, ist für die Schutzsuchenden nahezu unmöglich. Schutzsuchende müssen monatelang bei Minusgraden in den Wäldern ausharren, ohne medizinische Versorgung und ohne verlässliche Lebensmittelversorgung. Es kommt regelmäßig zu illegalen Abschiebungen zurück auf das Gebiet von Belarus, den so genannten Pushbacks. In den Aufnahmelagern müssen die Insassen Nummern und Handschellen tragen, was einem Gefängnischarakter nahekommt. Menschenrechtsorganisationen vor Ort sprechen von schweren Misshandlungen durch Sicherheitskräfte auf beiden Seiten der belarusisch-polnischen Grenze sowie von mindestens vierzehn Menschen, die dort bereits gestorben sind – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das niemals hätte passieren dürfen.

All dies geschieht auch auf dem Gebiet der Europäischen Union. Der Beschluss Polens vom November 2021, den Zugang zum Grenzgebiet per Gesetz zu beschränken und Pushbacks zu legalisieren, verstößt gegen europäisches und internationales Recht – so die herrschende juristische Meinung. Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Union und auch Deutschland massiv darauf drängen, in Polen das Grundrecht auf Überprüfung eines Asylbegehrens sicher zu stellen.

Die humanitäre Katastrophe an der EU-Grenze ist auch das Ergebnis eines fehlenden Verteilmechanismus. Aber solange dieser nicht zu Stande kommt, muss der Schutz des menschlichen Lebens und die Wahrung der Menschenrechte die oberste Priorität genießen. Unter den Geflüchteten sind besonders vulnerable Gruppen zu finden, unbegleitete Kinder und Jugendliche, Familien mit Kindern und geschwächte alte Menschen.

Wir halten es daher für dringend geboten, ein deutliches Signal der Solidarität zu senden und unseren Willen zu erklären, Geflüchtete aus diesem Krisengebiet im Landkreis aufzunehmen.

Wir halten es weiterhin für dringlich, dass sich auch die Öffentlichkeit mit der ausweglosen Situation der Geflüchteten in der polnisch-belarusischen Grenzregion beschäftigt. Aufgrund der immer noch dramatischen Situation an der Grenzregion Polen-Belarus ist aus unserer Sicht ein entschiedenes Handeln der Bundesregierung dringend erforderlich, um den dort festsitzenden geflüchteten Menschen zu helfen.


gez. Heinze / gez. Wirth/Linne / gez. Körner / gez. Stiller / gez. Gemmecke / gez. Rüngeling