Antrag der Gruppe SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Sitzung des Kreisausschusses am 27.06. und des Kreistages am 28.06.2023

Der Kreisausschuss möge empfehlen, der Kreistag möge beschließen:

Der Kreistag des Landkreises Göttingen appelliert an die Landesregierung:

  • die Kulisse der Vorranggebiete Wald gemäß LROP im Landkreis Göttingen entsprechend der regionalen Kriterien wie unten beschrieben anzupassen oder
  • eine Ausnahme für die Windenergienutzung innerhalb der Vorranggebiete Wald gemäß LROP zuzulassen.

Begründung

Die Menschen im Landkreis Göttingen sind tief betroffen vom Krieg, der immer noch in der Ukraine wütet, sowie besorgt im Hinblick auf die anstehende Klimakatastrophe. Angesichts der Klimakrise ist es dringend geboten, dass wir unsere Energie künftig aus erneuerbaren Energien gewinnen. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stellt derzeit die Energiesicherheit in Deutschland infrage. Es ist dringend geboten, in Südniedersachsen einen größeren Beitrag zur Energiewende zu leisten, als es die Festlegungen im Landes-Raumordnungsprogramm derzeit zulassen.

Der Teilflächenwert von 1,16 % der Landkreisfläche des Landkreises Göttingen für die Windenergie ist nachvollziehbar und richtig, wenn das vom Bundesgesetzgeber vorgegebene Flächenziel von 2,2 % für das Land Niedersachsen unter den derzeitigen Voraussetzungen auf die regionalen Planungsräume aufgeteilt wird. Wenn wir einen ausreichenden Abstand zu den Siedlungen einhalten wollen und das Artenschutzrecht beachten, haben wir keine Möglichkeit, um mehr Fläche für die Windenergie im Zuge der Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) festzulegen.

Der Landkreis Göttingen hat einen Waldanteil von 42,8 %. Die Festlegung „Vorranggebiete Wald gem. LROP“ beruht auf der Ausweisung aller historisch alten Waldböden. In der aktuellen Fassung des LROP werden somit ca. 95 % der Waldflächen des Landkreises Göttingen als Vorranggebiet Wald festgelegt. Nach Berücksichtigung der naturschutzrechtlichen Schutzgebiete (Natura 2000, NSG, Nationalpark, § 30-Biotope) fällt der Wald als Planungsraum für die Energiewende faktisch aus.

Große Waldbereiche waren seit Generationen mit naturfernen Fichten bestockt. Seit 2018 sterben diese Wälder großflächig als Folge der Klimaveränderungen ab. Im Landkreis Göttingen sind seither über 20 % der Wälder als sog. Kalamitätsflächen infolge von Hitze und Dürre abgestorben. Diese Flächen können durch die aktuellen Vorgaben des LROP nicht für die Erzeugung von regenerativen Energien durch WEA genutzt werden, bieten sich aber durchaus an:

  • Die Beeinträchtigungen für Natur- und Landschaft sind hier meist geringer zu beurteilen als in der offenen Kulturlandschaft (z. B. geringere Schlagopfer bei Großvögeln).
  • Die Windhöffigkeit ist hier meist besser gegeben als in tieferen Tallagen mit landwirtschaftlicher Nutzung.
  • Die Distanz zu Wohnsiedlungen kann vielfach besser gewährleistet werden.

Der Landkreis Göttingen ist sich der Bedeutung der Wälder für die Erholung, den Arten- und Naturschutz, sowie für die Forstwirtschaft bewusst und wird die regional und europäisch bedeutenden Wälder sichern. Daher werden auf regionaler Ebene Vorranggebiete Wald anhand folgender Kriterien festgelegt:

  • Wälder mit hoher naturschutzfachlich-ökologischer Bedeutung
    • einbezogen sind arrondierte Bereiche mit Laub- oder Laub-Mischwald älter als 60 Jahre
    • Kerngebiete Wald aus dem Biotopverbundkonzept des Landkreises
    • Wald in Natura 2000-Gebieten
    • Besonders geschützte Wälder (§ 30 BNatSchG)

Wenn diese Wälder auf regionaler Ebene als Vorranggebiet Wald von raumbedeutsamen Vorhaben ausgeschlossen werden, bleiben etwa 5 bis 10 % der Landkreisfläche übrig, die sich für eine Windenergienutzung eignen könnten, derzeit aber aufgrund der Festlegung als Vorranggebiet Wald gemäß LROP für die Windenergienutzung ausgeschlossen sind.

Sofern die Landesregierung auf den oben genannten Appell des Landkreises Göttingen eingeht, könnte Südniedersachsen einen größeren Beitrag zur so dringend wie nie zuvor erforderlichen Energiewende leisten und gleichzeitig auf eine große Akzeptanz in der Bevölkerung hoffen, da die Siedlungsabstände der Vorranggebiete Windenergienutzung im Wald im Vergleich zu entsprechenden Gebieten im Offenland sehr groß wären.

gez. Dr. Thorsten Heinze gez. Steffani Wirth gez. Dietmar Linne