Antrag der Gruppe SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Sitzung des Kreisausschusses am 20.12. und des Kreistages am 21.12.2022


Der Kreisausschuss möge empfehlen, der Kreistag möge beschließen:

Die drei Erziehungsberatungsstellen im Landkreis Göttingen erhalten zusätzlich je eine Vollzeitstelle zur Bereitstellung eines therapeutischen Angebots und zur Ergänzung pädagogischer Maßnahmen für junge Menschen in psychischen Krisen sowie zur Beratung von Fachkräften zu therapeutischen Bedarfen junger Menschen. Insbesondere soll damit ein sozialtherapeutisches Beratungskonzept für junge Menschen zur Behandlung der psychischen Langzeitfolgen der Corona-Pandemie etabliert werden.

Begründung
Die Verwaltung hat aus Einsicht in die dringende Notwendigkeit, diese Problemlage zu bearbeiten, im Jugendhilfeausschuss am 22.06.2022 in seinen Jahreszielen für 2023/2024 das Produktziel aufgenommen: „Die psychische Situation von jungen Menschen wird durch sozialräumliche, therapeutische Angebote unterstützt und stabilisiert“. Das Ziel steht unter dem Handlungsschwerpunkt „Bürger*innen, insbesondere junge Menschen, bei der Bewältigung der Pandemiefolgen unterstützen“. Als Zielkennzahlen verbunden werden damit die Etablierung eines sozialtherapeutischen Beratungskonzeptes mit drei regionalen Angeboten für eine Anzahl von 60 Beratungsfällen für junge Menschen. Die Umsetzung erfolgt über die Bereitstellung eines niedrigschwelligen, therapeutischen Angebots für junge Menschen in psychischen Krisen, die Ergänzung pädagogischer Maßnahmen der ambulanten Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit durch Therapieangebote sowie die fachliche Beratung von Kolleg*innen bei therapeutischen Bedarfen junger Menschen. Im Plan vorgesehen waren drei halbe Stellen mit Personalkosten nach EG 13 TVöD von 91.200 Euro zzgl. Sachkosten in Höhe von 9.700 Euro, dies macht 100.900 Euro je Vollzeitäquivalent (VZÄ); insgesamt 151.350 Euro.

Vor dem Hintergrund der Pandemie wird die Anzahl der Beratungsfälle wahrscheinlich weit über den 60 dargelegten Fällen liegen und sich die Lage insgesamt viel dramatischer darstellen. Gerade in den Erziehungsberatungsstellen wäre die Bereitstellung von insgesamt 3 x 1 VZÄ anstelle von 3 x 0,5 VZÄ wichtig, um den Bedarf abdecken und Personal generieren zu können.

Sozial-psychologische und sozial-medizinische Hintergründe:

Zwar haben Kinder und Jugendliche ein deutlich geringeres Risiko als Erwachsene schwer an COVID-19 zu erkranken, aber von pandemiebedingten Belastungen sind Kinder und Jugendliche regelmäßig deutlich stärker betroffen. Das gilt in besonderer Weise für ihre psychische Gesundheit.

Erwachsen werden heißt für junge Menschen, drei Herausforderungen zu meistern: Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung. Corona hat bei allen jungen Menschen zu Unterbrechungen und Störungen in diesen Bereichen geführt.

Die Auswirkungen einer veränderten Alltagsstruktur insbesondere durch Schulschließungen und die Kontaktbeschränkungen in den sogenannten „Lockdowns“ führen bei Kindern und Jugendlichen unter anderem zu Zukunftsängsten, Leistungsdruck und Vereinsamung. Die mangelnde soziale Interaktion mit Gleichaltrigen während der Pandemie stellt ein Risiko für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dar.

Das RKI hat zur Situation von Kindern und Jugendlichen im Jahr 2021 insgesamt 17 Studien ausgewertet. Die wesentlichen Ergebnisse sind:

  • Kinder und Jugendliche sind durch die COVID-19-Pandemie in einem hohen Maß psychisch belastet. Diese Belastungen sind im Verlauf der Pandemie stark gestiegen.
  • Die Schließungen von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und das damit verbundene „Homeschooling“ waren insbesondere für Familien mit Kindern unter 14 Jahren hoch belastend. Häufig verschärften familiäre Spannungen und Partnerschaftskonflikte der Eltern diese angespannte Lage.
  • Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund sind überproportional von einer Zunahme psychischer Symptome wie Ängstlichkeit, Depressivität und Hyperaktivität sowie Einbußen in der Lebensqualität betroffen. Diese erleben zugleich häufiger räumliche Enge und Gewalt, aber auch – insbesondere, wenn sie keine Geschwister haben – Einsamkeit.
  • Zwar ist das Auftreten o.g. Symptome nicht zwangsläufig mit einer psychischen Erkrankung gleichzusetzen, akute Belastungssymptome können nach Verschwinden der Belastungsfaktoren in der Regel wirksam abgebaut werden. Aber zu beachten ist zugleich die besondere Vulnerabilität von Kindern und Jugendlichen. Auftretende Symptome sollten unbedingt ernst genommen und vorbeugend behandelt werden, damit sich diese Belastungen nicht zu psychischen Erkrankungen weiterentwickeln.

Im Blick behalten werden sollten auch weitere gesundheitliche Negativfolgen der Pandemie:

  • Risiko häuslicher Gewalt
  • Übergewicht durch Bewegungsmangel und Fehlernährung
  • Magersucht
  • übermäßiger Medienkonsum


gez. Dr. Thorsten Heinze / gez. Steffani Wirth / gez. Dietmar Linne